Einmal einen Windpark bauen .. (WOLL MAGAZIN)

Artikel erschienen im Woll-Magazin vom 13.04.2022

 

Äußerungen des Windbarons Günter Pulte, der den Bau des Windparks RothaarWind II im Grenzbereich zwischen Kirchhundem und Hilchenbach plant, sind für Bürgerinitiativen des Sauerlandes sehr befremdlich.

Stellungnahme verschiedener Bürgerinitiativen zu einem Bericht mit der Überschrift „Von einem, der auszog, einen Windpark zu bauen…“ erschienen im Newsletter Windkraft Südwestfalen, Ausgabe März 2022

Stellungnahme

Die Äußerungen des Windbarons Günter Pulte, der den Bau des Windparks RothaarWind II im Grenzbereich zwischen Kirchhundem und Hilchenbach plant, sind für uns Bürgerinitiativen des Sauerlandes sehr befremdlich.

Es ist rührend, wie Herr Pulte immer wieder den Klimaschutz in den Vordergrund stellt, um damit in erster Linie sein Bauvorhaben zu rechtfertigen und sich nicht scheut Naturschutzvereine und Bürgerinitiativen als „Querdenker des Klimawandels“ zu bezeichnen. Dabei scheint es dem Windbaron wohl entgangen zu sein, dass Bürgerinitiativen und Naturschutzvereine/-verbände durchaus Bestandteil demokratischer Staatsordnungen sind und auch nichts mit „Wutbürgertum“ gemein haben. Wer sie abschaffen möchte, begibt sich auf den Pfad der Staaten, von denen wir so verzweifelt versuchen unabhängig zu werden.

Jedes neue Windrad trägt zur Naturzerstörung bei

Im Jahr 2019 hat der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Primärenergieverbrauch ca. 8,5 % betragen, der alleinige Anteil von Windenergie hat ca. 1,8 % betragen (Vgl. diverse Statistiken auf www.energieatlas.nrw.de). Jedem klugen Rechner müsste nun eigentlich auffallen, dass auch eine Verdopplung oder gar Verdreifachung der Windenergie nicht die ersehnte Unabhängigkeit herbeibringen kann. Zudem sind 100% nicht erreichbar in einer Welt, in der die Gesetze der Physik gelten; aber selbst 30% sind realistisch betrachtet nicht erreichbar. Jedes neue Windrad bringt uns diesem unerreichbaren Ziel nicht näher, sondern trägt nur zu weiterer Ressourcen-verschwendung und Naturzerstörung bei. Waldflächen sind in der Regel eine begrenzte Ressource (sie lassen sich nicht beliebig erweitern), genauso wie landwirtschaftliche Nutzflächen. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch den Flächenbedarf für z. B. die Industrialisierung der „Naturraum“ beständig verringert. Wälder nehmen aber wichtige, nicht ersetzbare Funktionen in der Ökologie neben der Wassergewinnung und CO2 Speicherung ein. Wir sollten diese Funktionen erhalten, statt der Gewinnmaximierung der Windindustrie unwidersprochen den Vorrang einzuräumen. Warum müssen Windräder überhaupt in Wäldern stehen, wenn es doch ausreichend große Industriebrachen gibt oder weiterhin ungenutzte Flächen entlang der Autobahnen? Die Windenergie kann nur volatil Strom erzeugen und eignet sich aufgrund der fehlenden Speicherinfrastruktur nicht dazu uns von russischem Öl und Gas abhängig zu machen.

Bereits jetzt schon beträgt die installierte Leistung Erneuerbarer Energien ca. 130 GW, demgegenüber steht ein durchschnittlicher Stromverbrauch von 80 GW (siehe electricitymap.org). Und dennoch können wir nur in Spitzenzeiten annähernd den Strombedarf -vom Wärmesektor reden wir noch nicht einmal- durch Erneuerbare decken. In den übrigen Zeiten liegt er weit unter dem Bedarf oder sogar bei null (siehe z. B. Pressemitteilung vom statistischen Bundesamt „Stromerzeugung aus Windkraft wetterbedingt um 13,3% zurückgegangen“.

Die Aussagen einiger Politiker, z. B. von Herrn Minister Olaf Lies („Der Blick aufs Windrad ist auch ein Blick auf Frieden und Freiheit“) oder von Herrn Bundesfinanzminister Lindner, der Erneuerbare Energien als „Freiheitsenergien“ bezeichnet, werden zur Farce und sind an Realitätsverlust angesichts der oben aufgeführten Zahlen nicht zu überbieten.

Die Rahmenbedingungen müssen stimmen

Betrachtet man die notwendigen Redispatch-Maßnahmen (das sind Maßnahmen zur Stabilisierung unserer Stromnetze, wenn z.B. gerade sehr viel Wind weht, aber wenig Strom abgenommen wird oder umgekehrt) und dadurch entstehende Kosten, fällt einem auf, dass diese Maßnahmen immer häufiger durchgeführt werden müssen. Die Gesamtkosten dieser Maßnahmen zur Stabilisierung unserer Stromnetze haben in 2020 in Deutschland 1,4 Milliarden Euro betragen (Quelle Energie und Management 26.04.2021). Kosten, die am Ende jeder Stromkunde mittragen muss. Verursacht werden sie auch durch den mangelhaften Ausbau der Stromnetze innerhalb Deutschlands und durch fehlende Speichermöglichkeiten. So konnten z. B. im Jahr 2020 ca. 6,1 Mrd. kwh Strom aus Erneuerbaren Energien nicht genutzt werden. Die Betreiber erhielten dafür Entschädigungen von insgesamt 761 Millionen Euro. Für Einspeisereduzierungen und -erhöhungen konventioneller Kraftwerke und das Bereithalten von Reservekraftwerken fielen gut 637 Millionen Euro an Kosten an. Vielleicht sollte man also erstmal Schritt eins und zwei machen (Ausbau des Stromnetzes und Speichermöglichkeiten) und dann den Dritten (Zubau Erneuerbare Energien). Windenergie ist sicherlich an geeigneten Standorten gut und sinnvoll, aber die Rahmenbedingungen müssen auch stimmen.

Wenn man einen Blick auf die Lieferketten unserer Erneuerbaren Energien wirft, müsste sich der Blick eigentlich noch weiter verfinstern. So kommen z. B. über 50 % der Rohstoffe für die Windturbinen und Photovoltaik aus China, nicht gerade ein Land in dem der Umweltschutz großgeschrieben wird. Weitere Rohstoffe kommen aus Russland, einem Land von dem wir gerade versuchen unabhängig zu werden. Das Balsaholz für die Rotorblätter der Windindustrieanlagen kommt aus dem Regenwald, dessen Abholzung wir immer wieder anprangern, weil er ja unsere „Grüne Lunge“ ist (siehe z. B. diverse Aktionen von Greenpeace). Das „Sauberimage“ unserer Erneuerbaren bekommt so eigentlich durch die Lieferketten eine schmutzige Weste, aber das interessiert hier kaum jemanden, weil die Länder ja weit weg sind und durch Greenwashing wird mal wieder die perfekte Nachhaltigkeit vorgegaukelt.

Doch nun zurück zu Windbaron Pulte, der z. B. die Austrocknung des Bodens durch Windindustrieanlagen anzweifelt. Aktuellen Studien zufolge, verändern Windräder aber tatsächlich das Mikroklima in ihrem direkten Umfeld. Als Mikroklima bezeichnet man das Klima der bodennahen Luftschichten. Um dies nachzuvollziehen, genügen einfachste Grundkenntnisse in Physik. In jedem Windpark wird der Atmosphäre durch die Luftverwirbelungen, besonders im Sommer, Feuchtigkeit entzogen, der Boden zusätzlich erwärmt und so schneller ausgetrocknet. Vor allem nachts sinken die Temperaturen in den Windparks weniger ab als außerhalb. Für das Wissenschaftsportal „scinexx.de“ haben deutsche Wissenschaftler ermittelt, dass die 1300 auf See und 30000 (Stand 2018) an Land installierten Windenergieanlagen in Deutschland bereits einen zusätzlichen Temperaturanstieg von 0,27 Grad Celsius innerhalb der letzten fünf Jahre bewirkt haben. Nachgewiesen hat dies im April 2019 eine veröffentlichte Untersuchung an der niederländischen Uni Wageningen.

Temperaturanstieg durch Windenergieanlagen

Und noch eine Physikalische Gegebenheit: Ein Windrad wirft immer einen Windschatten auf die windabgewandte Seite (Leeseite). Dadurch entsteht hinter der Anlage ein Nachlaufeffekt, auch als Wake Effekt bezeichnet. Der Wind hinter einer Windkraftanlage hat durch diesen Effekt eine geringere Geschwindigkeit als vor der Anlage. Hierdurch entstehen Luftverwirbelungen, auch Windschleppen genannt. Diese Windschleppen entziehen dem Wind Energie, an Land in einer Länge bis zu 30 km und über dem Meer in einer Länge von bis zu 100 km. Der Wind wird so über große Regionen hinweg verlangsamt. Gerade der verlangsamte bzw. abgeschwächte Wind aus westlichen Richtungen bringt somit weniger Regen. Dies wiederum bedeutet unter Umständen mehr Dürre und Ernteeinbußen.

Die Ursache des massiven Borkenkäferbefalls, der in den letzten drei Jahren für immense Schäden in unseren Wäldern, in erster Linie in den Fichtenbeständen, gesorgt hat, ist nicht ausschließlich auf die Erderwärmung zurückzuführen. Die Fichte stammt im Ursprung eher aus nördlichen Regionen, wie z. B. Skandinavien und dem Baltikum. Dort herrscht ein kühleres und auch feuchteres Klima als z. B. in Deutschland. Nach dem Krieg ist die Fichte hier aber immer mehr angepflanzt worden und diente als schnell wachsender „Brotbaum“. Es entstanden immer größere Monokulturen, obwohl man eigentlich wusste, dass die Fichte hier nicht heimisch ist und das Klima für sie hier nicht ideal ist. Hinzukommt noch, dass die Fichte ein Flachwurzler ist, und somit Stürmen, wie wir sie in den letzten Jahren häufiger hatten, nicht gut standhalten kann. (Nachzulesen z. B. in „Geschichte des Waldes“ von Hansjörg Küster).

Wichtig wäre nun eine Aufforstung mit arten- und strukturreichen Bäumen, die auch im hiesigen Klima wachsen und so wieder genügend CO2 aus der Atmosphäre binden. Auch Urwald-Parzellen, in den der Wald sich selbst wieder regenerieren kann, sind wünschenswert. Hier wäre eine Unterstützung von Seiten der Politik und der nachgelagerten Forstbehörden sicherlich sinnvoller und würde aktiven Klimaschutz darstellen.

Am Rande sei noch bemerkt, dass die in Deutschland betriebenen rund 30.000 Windräder an Land, im windreichen Jahr 2018 nur ca. 0,18% des weltweiten CO2 Ausstoßes eingespart haben (ab Inbetriebnahme). Vermutlich wurde aber selbst diese marginale „Einsparung“ zum größten Teil zunichte gemacht durch die Steigerungen des CO2-Ausstoßes, der in Ländern wie China bei der Gewinnung der für den deutschen Windrad-Boom benötigten Rohstoffe anfällt. Die Netto-Einsparung dürfte also wesentlich geringer sein.

Einsparungseffekt gering

Dass Herr Pulte nach eigenen Angaben für die Planung seines Windparks 10 Jahre benötigt, soll im Detail nicht näher kommentiert werden. Der benötigte zeitliche Umfang wird aber der Bedeutung dieses schweren Eingriffs in die Natur absolut gerecht. Da Herr Pulte aufgrund der gemachten Erfahrungen mit seinem schon bestehenden Windpark wusste, was ihn bei seinem zweiten Windpark erwartet, kann man nur unterstellen, dass er offenbar in Erwartung der finanziellen Resultate gerne bereit war, dieses Risiko einzugehen.

Wir machen Herrn Pulte keine Vorwürfe bezüglich seines Bauvorhabens, es gibt reichlich Rückenwind aus der Politik, bestehende Gesetze sollen zu Gunsten des forcierten Ausbaus der Erneuerbaren geändert werden, Arten- und Naturschutz sollen den Kürzeren ziehen und die eigene Geldbörse füllt man ja auch immer gerne. Wir bewundern ihn sogar dafür, dass er schon vor über 10 Jahren wusste, dass der Wald unter dem Borkenkäfer leiden würde und dort, wo er seinen Windpark RothaarWind II verwirklichen möchte, Kalamitätsflächen entstehen würden. Unsere „Grüne Lunge“ muss wieder grün werden und dafür ist es allemal besser, eine Blume am Straßenrand oder ein Bäumchen im Vorgarten zu pflanzen, als Kalamitätsflächen mit Windrädern aufzuforsten.

Die Bürgerinitiativen im Sauerland

Gegenwind Olpe-Drolshagen-Wenden e.V. – Tannenweg 2  – 57489 Drolshagen  – vorstand@gegenwind-odw.de

Rothaarwindwahn  Am Hamberg 7  – 57399 Kirchhundem  – frank.dubberke@rothaarwindwahn.de

IG Gegenwind Frettertal  – orgateam@gegenwind.frettertal.com

BI Lebenswertes Repetal e.V.  – Hofkühl 17  57439 Attendorn  – m.bruse@lebenswertesrepetal.de

Naturschutzverein Mitten im Sauerland e.V.  – Zur Vossel 9  – 59889 Eslohe  info@naturschutz-mittenimsauerland.de

Arbeitskreis Windkraft der Dorfgemeinschaft Oberveischede e. V.  – Im Eck 8  57462 Olpe  – ak.windkraft@dgo-oberveischede.de

Naturschutzverein Schmallenberg e.V.  – Oberrarbach 8  57392 Schmallenberg + info@naturschutzverein-schmallenberg.de