Offener Brief der Sauerländer Bürgerinitiativen an Herrn Regierungspräsidenten Hans-Josef Vogel
Sehr geehrter Herr Vogel,
mit Erstaunen und Unverständnis haben wir den Artikel „Regierungspräsident macht sich für Erneuerbare Energien stark“ in der WP vom 14.03.2022 gelesen.
Ihre Argumentationsketten sind für uns Bürgerinitiativen und Naturschutzvereine schlichtweg nicht nachvollziehbar. Woher kommt Ihre Einschätzung, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient? Wie kommen Sie zu der Aussage, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien der Sicherung von Freiheit und Demokratie dient? Würde ein moderater, dafür aber mit Weitsicht betriebener Ausbau der Erneuerbaren Energien dann im Gegenzug bedeuten, dass unsere Freiheit und Demokratie in Gefahr ist?
Wie definieren Sie die Begriffe „Freiheit“ mit „Unabhängigkeit“? Eine „Unabhängigkeit“ ist durch die Erneuerbaren Energie nicht zu erreichen, man ist nun von der Verfügbarkeit von Sonne und Wind abhängig. Bereits jetzt schon beträgt die installierte Leistung erneuerbarer Energien ca. 130 GW, demgegenüber steht ein durchschnittlicher Stromverbrauch von 80 GW (siehe electricitymap.org). Und dennoch können wir nur in Spitzenzeiten annähernd den Strombedarf durch Erneuerbare decken. In den übrigen Zeiten liegt er weit unter dem Bedarf oder sogar bei null (siehe z. B. Pressemitteilung vom statistischen Bundesamt „Stromerzeugung aus Windkraft wetterbedingt um 13,3% zurückgegangen“. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/03/PD22_116_43312.html). Hinzukommt der enorme Bedarf an Wasserstoff, wenn wir auch Verkehr und Wärme auf Erneuerbare umstellen wollen. Wer sich mit Wasserstoff auskennt, weiß einerseits um die geringe Effizienz dieses Energieträgers und andererseits ist ihm die Tatsache bekannt, dass Deutschland den größten Teil des Wasserstoffs wird importieren müssen. Unabhängigkeit sieht in der Tat anders aus.
Sie fordern Windkraftanlagen in Wäldern und in Landschaftsschutzgebieten, aber sind Sie sich auch über die Folgen für unser Ökosystem im Klaren? Neben Eifel und Senne ist das Sauerland eines der letzten naturnahen zusammenhängenden Gebiete mit großen Waldbe-ständen in NRW, die sinnvoll aufgeforstet und dann als CO2-Senke, Wasserspeicher, Grundwasserbildung und Bodenerosionsschutz entsprechend geschützt werden müssen. Nicht vergessen dürfen Sie den enormen Kühlungseffekt der Wälder. All diese Fähigkeiten des Waldes sind für den Klimaschutz unabdingbar. Zusammenhängende Waldgebiete (ohne jegliche Industrieanlagen, Schneisen und Kahlschläge) sind außerdem für ein intaktes Ökosystem unentbehrlich. Wie schlecht es gerade in NRW um die Biodiversität steht, dürfte Ihnen aus diversen Pressemitteilungen unserer Umweltministerin Ursula Heinen-Esser bekannt sein.
Deswegen sieht der LEP zum Punkt Windkraft einen besonderen Schutz aller Waldflächen vor, der nur in äußersten Ausnahmen aufgeweicht werden darf, um die Flächenversiegelung des Ökosystems Waldboden so gering wie möglich zu halten. WEA sind daher ausschließ-lich auf Freiflächen an geeigneten Standorten zulässig.
Planungsrelevante Großvogelarten wie Schwarzstorch und Rotmilan, dessen Schutz NRW nach EU-Vorgaben in besonderem Maße obliegt, müssen bei dem Ausbau der Windkraft hinreichend geschützt werden. Denn hier hat der Greifvogel sein Hauptverbreitungsgebiet. Laut VNV bietet das Sauerland eine Dichtezone dieser Vögel, wodurch der Tod auch von Einzelindividuen einen großen Verlust für den populationserhaltenden Genpool darstellt. Nach der Studie von Katzenberger & Sudfeldt (2019) bestehen entgegen populärwissen-schaftlichen Halbwahrheiten nachweislich Zusammenhänge zwischen Bestandsverände-rungen und Rückgängen der Rotmilanpopulation durch den Ausbau der Windenergie.
Der von Ihnen geforderte Ausbau der Windenergie im Wald und in Landschaftsschutzge-bieten steht im eklatanten Widerspruch zu den rechtlichen internationalen und nationalen Vorgaben zur Erhaltung und zum Schutz der heimischen Artenvielfalt. EU-Recht und das eindeutige Urteil des EuGH zum Individuenschutz geben dazu klare Hinweise, die regionale Handlungsspielräume abstecken (EuGH C-473/19, C-474/19 vom 04.03.2021).
Wir bitten Sie daher, dass Sie sich der Tragweite ihres Briefes an die Landräte und Bürger-meister bewusst werden. Auch wir sind uns darüber im Klaren, dass sich hinsichtlich der Energieversorgung Deutschlands etwas ändern muss, aber dies darf nicht durch blinden Aktionismus erfolgen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird nur auf Akzeptanz stoßen, wenn er in einem geregelten und weitsichtigen Rahmen erfolgt. Der Ausbau darf nicht durch ein Aufweichen der bestehenden Gesetze des Arten- und Naturschutzes sowie des Anwohnerschutzes forciert werden.
Es darf nicht sein, dass eine rein ideologisch geprägte Agenda (Windräder = Klimaretter = Weltenrettung) zur unwiederbringlichen Zerstörung unserer Natur und Landschaft führt, ohne dass dadurch weder der Erderwärmung noch dem Artensterben Einhalt geboten würde.
Unser dringender Appell deshalb an Sie: Denken Sie Umwelt- und Klimaschutz gemeinsam, so wie es IPBES (Weltbiodiversitätsrat) und IPCC (Weltklimarat) schon lange tun und dies auch wiederholt öffentlich machen.
Wir behalten uns vor, diesen Offenen Brief auch an andere Politiker, Landräte und Bürgermeister sowie die Medien weiterzugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Gegenwind Olpe-Drolshagen-Wenden e.V.
Tannenweg 2
57489 Drolshagen
Rothaarwindwahn
Am Hamberg 7
57399 Kirchhundem
frank.dubberke@rothaarwindwahn.de
IG Gegenwind Frettertal
orgateam@gegenwind.frettertal.com
BI Lebenswertes Repetal e.V.
Hofkühl 17
57439 Attendorn
m.bruse@lebenswertesrepetal.de
Naturschutzverein Mitten im Sauerland e.V.
Zur Vossel 9
59889 Eslohe
info@naturschutz-mittenimsauerland.de
Arbeitskreis Windkraft der Dorfgemeinschaft Oberveischede e. V.
Im Eck 8
57462 Olpe
ak.windkraft@dgo-oberveischede.de
Naturschutzverein Schmallenberg e.V.
Oberrarbach 8
57392 Schmallenberg
info@naturschutzverein-schmallenberg.de
Bürgerinitiative Wildenburger Land
Am Wasserstollen 3
51598 Friesenhagen
Verein für Umwelt und Naturschutz „Nuhnetal“ e.V.
Schützenstraße 40
59955 Winterberg
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